Sonntag, 5. Juli 2015

Bachmannpreis 2015. Dritter Tag. Teresa Präauer

Teresa Präauer, „Oh, Shimmi!“


Riesenerfolg, Lachsalven, Jury ausnahmslos begeistert. 

Story: Junger Mann will Frau- sie will ihn nicht. 

»Schimmi, verschwinde. Bevor du dich zum Affen machst.. 
Sapperlot, sie lädt mich ein, denke ich, und pfeif“ 

Er nimmts als Aufforderung, holt sich im Kostümverleih ein Affenkostüm, grooved sich voll ein auf den Affen, ein Riesensprachspaß ist das, und nicht nur Sprach-, sondern Überhauptspaß. Der ist eins mit sich, der Shimmy- affe, der wills und ist unterwegs um sich zu holen, was er will, da ist echte Begeisterung und Freude in seinem Kopf, das ist das Paradies in seinem Kopf, und als Zuhörer bist du auch im Kopf von diesem Shimmy, und der rapt in seinem Affenkostüm zurück zur Wohnung von seiner Ninni und tritt die Tür ein...

»Ich bin Schimmi, der Affengott!«, gröle ich durch Ninnis Appartement und springe ins Schlafzimmer. 
»Komm zu mir, süße Mangofrucht!«, jaule ich, werfe mich aufs Bett und breite meinen schwitzenden Affengottkörper über ihr Laken aus Nylon.
»Nie, nie, nie« und »nee, nee, nee«, quengelt Ninni, aber ich verstehe ihre Sprache, denn ihr Nein meint ein Ja. Nein-nein-nein, sagt sie, aber in Summe ergibt das ein Ja.“

… und will sie begeistert vergewaltigen. 

So eine unglaubliche Lockerheit! heißt es in der Jury, so leicht!! So lustig, ein Zauberstück auf offener Bühne- so ein Vergnügen!!

WTF!! Darf sie das? So lustig affirmativ in einen Machomöchtegernvergewaltiger hineinschlüpfen, einfach so, zum Spaß? Jajja, sie darf, Autoren sollen alles dürfen. Aber darf die Jury, - dürfen die Frauen in der Jury, so begeistert sein- von der Leichtigkeit? Ich finde: nein! Weil es die Art von leichtem, lustigen Vergewaltigerspaß für Frauen nicht gibt, nur in einer virtuellen Welt, in der sie ein Mann sein können. Und weil der Text völlig auslässt, dass es die Art von Spaß nur für die eine Hälfte der Menschen gibt, und das ist für die andere Hälfte außerhalb von Popvergnügen zumindest ärgerlich, man kann das auch noch viel übler finden. Und diese strukturelle Ungleichheit, die da leider nicht nur eine körperliche ist, sondern auch eine, die den möglichen Seelenspaß betrifft, den man im Leben so haben kann, die ist durch den Feminismus noch keineswegs beseitigt worden. Schlimmer: es gibt kaum Vorstellungen davon, wie das überhaupt gehen könnte. Und: ja: das mäkelnd einzuwenden, dagegen mürrisch aufzutreten, das ist diese blödsinnige feministische Unzufriedenheit, vor der sich z.B. die süße kleine Ronja von Rönne ekelt. Ich verstehs. Das ist nicht sexy. Wer so motschgert nach einem sooo lustigen, sooo

spielerischen Text, der versteht keinen Spaß. Da geht’s doch nicht um Flugblätter sondern um Sprache, Spiel usw., stimmts? Da gehts um den Rhythmus wo man mit muss. Solche Weiber, die das nicht verstehen,  sind Spaßbremsen, sagen sie oben in Deutschland. Und in Ö, dort wo Shimmy der Affe unterwegs ist, täten sie sagen: So eine is eine zuag‘nahte Fut, auch Klammerfotze genannt. Und so eine bin ich also, wenn ich mich nicht mitfreuen kann mit der Jury.

Wie hat Teresa Präauer das gemacht? Der Text macht ja wirklich Spaß. Ich denke, er handelt wirklich vom tiefsten und sc
hönsten Vergnügen, das es gibt.  Man muss nur an junge Tiere denken, die sich balgen. Wie die sich an ihrer Kraft freuen, und ausprobieren, gegen wen sie wie gewinnen könnten- und das Leben voll solcher aussichtsreicher Kämpfe liegt vor ihnen. Wenn man da zuschaut, geht einem „das Herz  auf“, vor soviel Lebensfreude, Vitalität- vor soviel Ungebremstheit.  Den Schimpansen sind wir ja wirklich extrem nah- und können sehen, wie es läuft: Gruppentiere sind das. Und sie wollen um ihren Platz in der Hierarchie kämpfen und wollen Sex haben. Und beides hängt eng zusammen und beides ist nicht gänzlich genetisch festgelegt, sondern was festgelegt ist, sind verschiedene mögliche Muster. Und in sich in ein solches Muster hineinfallen lassen und dabei die eigene Kraft spüren und wissen, dass man eine Chance hat zu gewinnen – das ist wohl „das Schönste, das ist das Schönste, auf der Welt“. 
 Aber viel davon ist reguliert- ist nicht „einfach so“ erlaubt, bei den Schimpansen schon nicht und bei uns erst Recht nicht. Es soll ja eine funktionierende Gruppe bleiben- Konkurrenzkämpfe dürfen nicht zum Tod des Schwächeren führen, sondern nur zu dazu dass er die Niederlage akzeptiert und im Status jetzt eine Stufe  tiefer steht. Es gibt- auch schon bei Schimpansen- ein  Gerechtigkeitsgefühl, das Statusunterschiede nur bis zu einem gewissen Grad akzeptiert (der bei uns wohl zur Zeit weit überschritten ist). Und bei der sexuellen Balz dürfen die Schimpansenmännchen zwar auch solche Weibchen pimpern, die deutlich nicht zugestimmt haben, aber sie dürfen sie nicht grob verletzen. Aber immer ist bei diesen Mustern ein gerütteltes Maß an Gewalt im Spiel, keine vernichtende, nur unterwerfende Gewalt. Und der Spaß, die Begeisterung, ist von der Gewalt nicht zu trennen. Verlangen die Regeln der Gruppe, dass man die Gewalt bremsen muss, dann gibt es einen moralischen Konflikt (auch schon bei den Schimpansen) – und der ganze Vorgang beginnt zu ruckeln, es läuft nicht mehr glatt,  nicht mehr so schön, so leicht, so froh. Im Paradies, so stellen wir uns das vor, gab es diese moralischen Konflikte noch nicht- und daher paradiesische Zuständ-.



Shimmy, der Junge in seinem Affenkostüm, hat eine solche Freude. Die gibt’s, die ist bestimmt herrlich- die lässt sich nicht ablösen von der Gewalt. Wir- „zivilisiert“ wie wir sind, wollen von den  Zusammenhängen von Lebensfreude und Gewalt meist nichts wissen. Stellvertretend genießen wollen wir sie aber schon. Erlaubt ist das im Sport. Und in der Literatur dürfen wir mit Kämpfern mitfühlen, die als Ausgangspunkt eine arge Benachteiligung haben. Wenn es einer unbedingt schaffen will, der aus ganz armen Verhältnissen kommt, am besten eine Waise, oder einer, der nur ein Bein hat, oder aus irgendeinem Grund, den wir falsch finden, einfach keine gleichen Ausgangschancen bekommt, weil er oder sie schwul ist oder schwarz z. B., dann dürfen wir es mitgenießen, wenn sich so jemand hinaufkämpft, und da darf uns auch die Gewalt gefallen – ist ja „Gegengewalt“  (so hieß das früher). Sonst nicht.  Wie macht das also die Präauer mit ihrem Shimmi, dass sich alle in der Jury erlauben können, sich mit der Gewalt mitzufreuen?



Erstens macht sie‘s mit einem billigen Ende. Die Vergewaltigung (die in seinen Augen nie eine war, denn im Balzritual von dem ich  glaube, dass es uns wirklich in den Genen steckt, geht es um Verfolgung und Flucht, um Unterwerfung und Hingabe- und es steckt also wirklich im Ritual, dass einer von beiden nein sagt und ja meint. Wenn man das umstoßen will (die Bonobos scheinen es getan zu haben) dann bringt man sich um ein paar Hundert Tausend Jahre des ungebrochenen paradiesischen Vergnügens …. Die Feministinnen verlangen wohl nicht weniger als das, und da kann man schon wütend auf sie werden- sie verlangens und versuchens, weil das Vergnügen der Unterwerfung lang nicht so paradiesisch ist, wie auf der eigenen Kraft mit Wumms und allen Segeln der Natur gewaltsam in den andern hineinzurauschen)- diese Art der Vergewaltigung, die für Shimmi keine ist, die gelingt nicht. Nini ist stärker und verprügelt ihn. Ist also „nix passiert“.  (Gibt’s übrigens bei Schimpansen auch- manchmal trifft einer, ders „unbedingt wissen will“ auf ein Weibchen, dass nicht nur keine Lust hat, sondern auch stärker ist als er, und ihn verprügelt.)

Das ist, wie ich finde, ein billiger Trick, denn alles, was in Shimmi vorher vorgeht, und was  so viel Spaß macht beim Zuhören, wäre ganz genauso, wenn die Autorin ihn auf eine ein bisschen schwächere Gegnerin hätte zugrooven lassen – und dann hätte sie den Text mit derselben Begeisterung in einen erfolgreichen und mit einiger Gewalt erzwungenen Beischlaf münden lassen müssen. Wie wär das gewesen, Jury? Immer noch so leicht? Immer noch ein Sprachspiel? 

Ich bin übrigens ungerecht: Sandra Kegel hat dieses Ende moniert. Als Einzige hätte sie sich gewünscht, dass das nicht so einfach aufgelöst würde.

Also: die Gewalt samt Spaß war zwar da, aber Shimmi hat verloren. Und: dieses lustige
Österreichisch! Da ist die Gewalt ja von vornherein nicht so ernst, bei so einem Dialekt. (Von Helmut Qualtinger gibt’s natürlich viele schauspielerische Gegenbeispiele).

Die Bedingung, unter der wir bereit sind Großmäuligkeit lustig zu finden, ist, dass sie von Underdogs kommt. Ich kenne das! Ich arbeite mit türkischen Kids und gegen den Machocharme der Jungs kann man sich kaum wehren. Dieser unbedarfte Genuss am
eigenen Testosteronspiegel ist ungemein attraktiv. Wie die Jungs ihren vierjährigen kleinen Brüdern beibringen, wie sie mit ihren kleinen Babyspeckbeinen breitbeinig in der Mitte des Gehsteigs gehen und auf keinen Fall auszuweichen sollen - das ist soooo lustig und süß. Aber es ist nicht ebenso lustig für eine Frau, die dann ständig ausweichen muss. Und- und das ist das eigentlich Prekäre: eine Frau , die versucht NICHT auszuweichen, ist nicht sexy und es verschafft ihr nicht denselben Genuss- weil sie nicht in ihre Muster sinken, nicht auf vorgegebene Weise ihre Kraft erproben kann. Sie kann nie so ein Shimmiaffe sein- ein Text, der ihr das vorgaukelt, betreibt vorsätzliche Täuschung.



Klaus Kastberger bedankt sich bei dem Text, weil er sich durch ihn jung fühlt. Ja, ich verstehe das. Er hat da auch eine wunderbare Erlaubnis bekommen als Mann. Denn was man spürt, ist männliche Vitalität. Aber wunderbarer Weise durch Mund und Stift einer Frau- und daher genehmigt. Denn freilich gibt es auch Gangsta Rapper, die mit ihren Phantasien so ein Vergnügen beschwören, aber da voll einzusteigen darf sich ein erwachsener Intellektueller nicht erlauben. Der muss behaupten, es sei ironisch- wo doch die Freude darauf beruht, dass man ganz mit sich eins ist, also eben gerade nicht ironisch.



Wer fällt dem Feminismus entschiedener in den Rücken, Ronja von Rönne oder Teresa Präauer? Ich finde dieser Jugendpreis geht eindeutig an Teresa Präauer (und wird ihr daher auch einen der Preise eintragen und Ronja von Rönne nicht. Das übrigens diese BEIDEn von Hubert Winkels eingeladen wurden, lässt mich schon ein bissl nachdenklich werden bezüglich seiner Präferenzen)

Spaß machen beide auf dieselbe Weise: sie trauen sich, den Spaß an Gewalt auszustellen. Ronja von Rönne denkt über ein alternatives Rastamädchen in der Kneipe, die solle eine Burka anziehen, so hässlich wie sie sei. Selbe Art von Lacher: sie gibt zu, dass es Konkurrenz gibt, und sie trommelt sich an ihre Brust und sagt: da schaut her, wie hübsch ich bin, ich bin die Schönste! Ich mach die alle fertig mit meinem Aussehen, ich gewinne diese Konkurrenz und das macht mir auch Spaß. Das zu zeigen, ist politically incorrect- deshalb ein Vergnügen. Und sie macht aber auch schnell einen Rückzieher, was die Freude betrifft- schon eine Seite später sehnt sie sich nach Geborgenheit und will lieber nicht mit den Mädchen kämpfen. Aber davor redet sie vom Spaß an der Gewalt, sagt, sie wünscht sich ein bisschen Krieg und schüttet ein Bier um. Sie wünscht sich Testosteronspaß wie die Jungs ihn jetzt in so einer Kneipe bestimmt hätten. Obwohl sie sich offiziell vor Feminismus ekelt, wünscht sie sich Gleichberechtigung- die sie nicht hat. Und was ist das? – Genau.  Präauer hingegen:  verschleiert und verwitzelt, dass es für eine Frau einen ähnlichen Gewaltspaß, wie Shimmi ihn erlebt, nicht geben könnte. Man muss sich nur vorstellen, dass eine Frau, der ein Mann gefällt und die Sex mit ihm anbahnen möchte, sich ein Affenkostüm holt und sich dann voll in die Automatismen fallen lässt, die wir von (weiblichen) Schimpansen kennen. Wäre da so ein Spaß denkbar? No no no.



Direkt danach kam Dana Grigorcea mit einem großartigen Text, Besprechung folgt.  Sie ist meine Favoritin.

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